Dürfen wir aus der Krise lernen? Ein Essay von Christoph Lanzendörfer

Gesundheit und Wohnen sind Grundbedürfnisse eines jeden von uns. Das Menschenbild einer Kulturnation ist nicht der Obdachlose, der mit pfeifender Lunge und Mundfäule gemeinsam mit Ratten unter einer Brücke haust. Desto perfider ist die Forderung der Liberalen: So viel Markt und so wenig Staat wie möglich – es sei, wir haben gerade Banken- oder Corona-Krise und die kleinen Leute, alle Steuerzahler nämlich, müssen uns retten.

Christian Lindner, der lieber eine Regierungsbildung platzen ließ als von seiner beinharten Ideologie abzuweichen, erklärte jüngst: „Der Staat muss sich möglichst bald und möglichst weitgehend aus den Bereichen zurückziehen, in die er jetzt eingegriffen hat, und das alte Maß von Eigenverantwortung wiederherstellen.“ Mit Eigenverantwortung pflegen die Neoliberalen übrigens die regelbefreite Vorherrschaft des Privateigentums zu beschreiben.

Es soll also so werden wie vorher: Krankenhäuser werden nach privatwirtschaftlichen Kriterien berechnet, also nur das operiert und behandelt, was Geld bringt, Vorhaltekosten für solche Krisen wie jetzt rechnen sich da nicht und werden auf andere, nämlich die Allgemeinheit, übertragen. In seiner kurzen Amtszeit als Gesundheitsminister hat Philipp Rösler die Krankenhäuser nach den gleichen Kriterien umstrukturiert, als wären sie Produzenten für Lattenroste. Das hat auch zur Folge, dass in unserem Landkreis ohne einen einzigen Blick auf die Ursache zu werfen, eine solche Umstrukturierung zu einem Zentralklinikum führen soll (aber glücklicherweise nicht wird, die Corona-Krise wirft diese Pläne völlig über den Haufen und zumindest um Jahre zurück), die dann ganz bewusst zehn Prozent unserer Bevölkerung von einer gleichmäßigen Versorgung ausschließt.

Ähnlich sieht es mit dem Wohnen aus: Es geht nicht nur um ein Dach über den Kopf, um Wärme oder Hygiene. Gerade zu Zeiten des Lernens zu Hause (der Neoliberale weiß das Home-schooling zu nennen) sind beengte Wohnverhältnisse oder solche ohne einen wackelfreien Internet-Anschluss wieder einmal ein Beweis für die Ungleichheit von Bildungschancen.

Und wen wird es auch hier treffen?

Die Politik allein, wenn sie denn das überhaupt will, wird es nicht schaffen. Jeder und jede einzelne sind gefragt, mitzumachen, sei es durch einen Blick in die Parteiprogramme, wer dem Profitinteresse im Gesundheitswesen ein Ende machen will (Stichworte: Bürgerversicherung und Krankenhäuser in öffentlicher Hand), sei es durch Aktivität bei den Sozialwahlen (vielleicht mal über eine Kandidatur für die Krankenkasse nachgedacht?), durch Mitarbeit und damit Gestaltung bei der AWO oder ASB z.B., oder dadurch, dass wir unsere Tatkraft bei Attac einbringen (z.B. in der Arbeitsgruppe Soziale Sicherungssysteme).

Die Alternative ist: Wir lassen es so, wie es war. Bis es wieder so wird, wie es jetzt ist.