In unserem gerade aktuell veröffentlichten Grundsatzprogramm "Kommunalpolitische Leitlinien - Spiekerooger Beschlüsse 2015" haben wir zum Problem der Krankenhausversorgung deshalb explizit keine Stellung genommen, weil Krankenhäuser Angelegenheiten des Landkreises sind und von uns unmittelbar nicht gestaltet werden können. Wegen der aktuellen Situation und wegen des Vorpreschens anderer Gliederungen möchten wir aber jetzt unsere Position darlegen.

Vorgeschichte

Die vier Krankenhäuser im Landkreis sind Gründungen aus einer Zeit, in der die stationäre Schwerpunktversorgung Erkrankter nicht die Regel war. Zwar gab es schon länger Krankenhäuser (abgesehen von Leprosorien, Pesthäusern und Armen- und Irrenanstalten), aber die Krankenversorgung Kombination ärztlicher und pflegerischer Versorgung hat sich erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts für schwere Fälle in Krankenhäusern durchgesetzt. Aufgrund des geringen Fortschritts der gesamten Medizin waren prinzipiell alle Krankenhäuser gleich ausgerichtet.

Bereits 1989 legte die SPD in Bassum ein Positionspapier zur Zusammenarbeit der Krankenhäuser Bassum und Twistringen vor (Verfasser: Dres. Ulrich Lepsien und Christoph Lanzendörfer). Demnach sollte trotz unterschiedlicher Trägerschaft ein gemeinsames Konzept zur Versorgung erstellt werden: "Schneidende Fächer" (Chirurgie, Gynäkologie) nach Bassum, in Twistringen mit Unterstützung des Landkreises Einrichtung einer psychiatrischen Klinik an einem Allgemeinkrankenhaus nach dem Dänischen Modell (das auch von der "Reformpsychiatrie" im Umkreis der Med. Hochsch. Hannover gefordert wurde) sowie Beibehalt und Erweiterung (durch den Bereich Diabetologie) der Inneren Medizin. Trotz heftigster Widerstände gerade aus Twistringen wurde dieses Konzept durchgesetzt, wobei der Chefarzt der Twistringer Chirurgie, Dr. Al Kaisey, der im Gegensatz zu seinem Oberarzt nicht mit nach Bassum umziehen wollte, in Twistringen eine Praxis erhielt, die heute durch seinen Nachfolger Dr. Stuke noch betrieben wird.

Dieses Modell war schließlich ein Erfolgsmodell.

Als es um 2002 nach einem kurz-schaurigen Intermezzo durch einen Geschäftsführer des zuvor gegründeten Klinikverbunds Bassum-Sulingen wieder zu Diskussionen über Veränderungen als Antwort auf finanzielle Engpässe kam, legte die SPD in Bassum erneut Vorschläge für eine zukunftsgewandte Krankenhauspolitik vor.

In der Erkenntnis, dass die Gebiets- und Kreisreform von 1977 keinesfalls nach sachlichen Gesichtspunkten durchgeführt wurde, ein willkürlich geschaffener Verwaltungsbereich also nicht notwendigerweise auch einem Versorgungsbereich entsprechen muss, schlugen wir eine Versorgung nach dem Regionalprinzip vor: Dort, wo Menschen wohnen, muss die Trägerschaft für Krankenhäuser so organisiert werden, dass die Versorgung bestmöglich und nachhaltig erfolgen kann. Das hatte unseren Vorschlag zur Folge: Verbindung des Klinikverbunds Bassum-Sulingen mit der GeNo in Bremen, Verbindung des Krankenhauses Diepholz mit dem St. Marienhospital Vechta. Grundsätzlich waren nach unseren Gesprächen sowohl Bremen (LdW-Geschäftsführer Dr. Peter Stremmel referierte im VA in Bassum; Luzia Moldenhauer, Dr. Christoph Lanzendörfer und Heinfried Schumacher waren zu Gesprächen mit Sozialsenatorin Karin Röpke in Bremen) als auch Vechta (Verwaltungsdirektor Helmut Themann aus Vechta legte ein Kurzkonzept für ein gemeinsames Krankenhaus Vechta-Diepholz vor) offen für dieses Modell.

Der Landkreis hatte sich aber bereits im Vorfeld auf eine "Ein-Haus-Lösung" im Landkreis Diepholz festgelegt, die in sich unstimmig, nicht schlüssig und im Ergebnis jetzt de facto als Insolvenz zu werten ist - was wir prognostiziert hatten. Insbesondere die Regelung zur Minderheitenbeteiligung von 48% muss als Scheitern gewertet werden.

Aktuelle Situation

Im Prinzip ist der Klinikverbund Alexianer Landkreis Diepholz (ALD) als insolvent zu betrachten. Es werden bereits Investitionsgelder zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet - eine etwas höflichere Umschreibung für pleite. Unter diesen Gesichtspunkten schlug Landrat Cord Bockhop vor, der Landkreis möge als Minderheitsanteiler eigene Ideen zur Weiterentwicklung der Krankenhäuser auf der Grundlage eines Gutachtens darstellen. In diesem Gutachten wurde letztlich als die Ziel führende Lösung die Aufgabe eines Krankenhauses vorgeschlagen, wegen der Lage und der ansonsten nicht gesicherten Erreichbarkeit kam das Krankenhaus Diepholz als "Marktausscheider" in Betracht.

Grundsätze

Sozialdemokratische Gesundheitspolitik hat den Grundsatz eines allgemeinen, freien und gleichen Zugangs zu den Leistungen. Gesundheitspolitik ist demnach auch Verteilungspolitik: Maßnahmen, die über ein erforderliches Maß hinaus angeboten, erbracht und bezahlt werden, nehmen hierfür Mittel für andere Maßnahmen in Beschlag, die nicht mehr erbracht werden können.

Aus sozialdemokratischer Sicht ist es also primär unerheblich, durch wen eine Leistung erbracht wird, wenn der Zugang zu ihr unseren Kriterien entspricht.

Andererseits ist auch nicht einzusehen, dass z.B. bei der Askleipios-Gruppe eine Umsatzrendite (!) von 9,5 % erwartet wird. Dieses Geld wird dem System zur Fortentwicklung entzogen, Sozialversicherungsbeiträge sollen marktwirtschaftlichem Handeln nicht unterworfen werden.

Erste Forderung:

Krankenhäuser sind am besten kommunal oder als "non-profit-Unternehmen" zu führen. Die Verbindung zu den Alexianern als Mehrheitseigner ist auf eine gleichberechtigte Teilhabe zu ändern oder aufzulösen.

Entwicklungsideen

Die Entwicklung zur Alterung der Gesellschaft führt unmittelbar auch zu einer mit mehr chronisch Kranken. Krankheiten, die eine mittelalterliche Gesellschaft kaum kannte, prägen heute unser Leben: Chronische Krankheiten wie Herzkranzgefäßverkalkungen, Diabetes mellitus Typ II, Hochdruckkrankheit waren in einer Gesellschaft, deren individuelle Lebenserwartung bei unter 40 Lebensjahren lag, unbekannt, heute sind sie Alltagswissen.

Zweite Forderung:

Durch das Wissen von der Vermeidbarkeit vieler Erkrankungen müssen gerade auch Krankenhäuser nicht nur als Reparaturwerkstatt arbeiten, sondern besonders im Sinne des "Salutogenese-Konzepts" (Behandlung nach einer Orientierung an der Entwicklung der Gesundheit und nicht nach einer Sicht der Krankheitsentwicklung) arbeiten.

Die Unterteilung in Grund- und Regelversorgung bis zur Maximalversorgung greift heute in den Zeiten zunehmender Spezialisierung zu kurz: Maßnahmen, die kürzlich nur Universitätskliniken vorbehalten waren, können unter hoher Frequenz der Durchführung dieser Maßnahmen auch mittlerweile in "peripheren" Krankenhäusern durchgeführt werden. Allerdings ist damit auch ein Manko beschrieben: Gerade die wirtschaftlich hoch lukrative Auswahl nur bestimmter Schritte führt zu einer vermehrten Anwendung dieser Maßnahmen, so dass beim besten Willen von einer sinnvollen Behandlung in sehr vielen Fällen nicht mehr gesprochen werden kann. Weshalb in Bremen relativ nur halb so viele Erstträger einer Knieprothese leben als im Landkreis Diepholz, ist sachlich nicht zu begründen. Durch diese massenhafte Anwendung von Maßnahmen wird dem System Geld entzogen, das für andere Maßnahmen dann fehlt.

Eine "Grund- und Regelversorgung" ist unter diesen Bedingungen auch nicht mehr zu definieren.

Dritte Forderung:

Krankenhäuser mit öffentlicher Beteiligung sollen, auch unter den Bedingungen zur Notwendigkeit eines Defizitausgleichs, sich wieder dem Menschen in seiner Krankheit und nicht dem Menschen als Wirtschaftsobjekt widmen. D.h. die Definition einer Grundversorgung schließt nötigenfalls, zumindest derzeit, auch die bewusste Inkaufnahme eines "unwirtschaftlichen Handelns" ein.

Eine Diskussion über die Krankenhauspolitik hat im Unterbezirk Diepholz der SPD bisher nicht stattgefunden. Deswegen diskutieren wir derzeit auf drei völlig unterschiedlichen Ebenen:

a. Strukturpolitik der bisherigen Standortkommunen

b. Kreispolitik als Politik einer für die Kommunen sinnvollen Entwicklung

c. Krankenhausversorgung im engeren Sinne

Ad a.: Nachvollziehbar ist es, dass betroffene Kommunen über "ihre Krankenhäuser" als Standortfaktoren diskutieren. Dies kann aber nicht Aufgabe einer Versorgungspolitik sein und ist sachfremd. Auch anscheinend sachliche Argumente zur Versorgung der Bevölkerung dienen häufig nur der Untermauerung einer kommunalen Strukturpolitik. Dies ist abzulehnen.

Ad b.: Aus a. folgt: Wenn Krankenhauspolitik keine Strukturpolitik ist, dann darf auch nicht der überwältigende Anteil der nicht betroffenen Kommunen zur Besserung von Standortfaktoren anderen Kommunen herangezogen werden. Gerade die drei Nordkreiskommunen Stuhr, Syke und Weyhe zahlen über ihre eigene Gewerbesteuer derzeit 46% der landkreisseitig erhobenen Kreisumlage. Die Bevölkerung dieser drei Kommunen nutzt die Krankenhäuser aber erkennbar so gut wie gar nicht. Von daher wäre eine Fortschreibung des aktuellen Zustands diesen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber völlig unbillig. Der Erhalt des aktuellen Zustands ist aus dieser Blickrichtung abzulehnen.

Ad c.: Das von Lohfert & Lohfert vorgelegte Gutachten ist hinsichtlich der Daten und ihrer Interpretation schlüssig und stimmig. Bei der Dichte der Krankenhäuser in der Region und der Erreichbarkeit bedarf es im Landkreis keiner drei Krankenhäuser. Die "Zweier-Lösung", in der fast alle Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises eine gleiche Erreichbarkeit für eine stationär zu erbringende Gesundheitsleistung haben, ist unter wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Bedenken die beste Lösung. Die Städte Damme, Diepholz, Lohne und Vechta haben sich bereits 1994 zum Städtequartett zusammen geschlossen - was liegt näher, als dieses Modell auch um den Bereich Gesundheit zu erweitern? Es ist nicht zu vermitteln, dass bei gleichbleibendem Zugang vier Krankenhäuser auf engstem Raum erforderlich sind.

Vierte Forderung:

Das Gutachten von Lohfert & Lohfert ist im Sinne der vorgeschlagenen Zweier-Lösung mit einigen Änderungen zu verwirklichen:

Das Krankenhaus Sulingen muss in internistischer und chirurgischer Ausrichtung entwicklungsfähig bleiben. Die 24-Stunden-Rundum-Versorgung auf internistischem Gebiet muss ergänzt werden durch die Option, bei zunehmendem An­spruch auch die Chirurgie entsprechend zu führen. Die Innere Medizin muss Schwerpunktbereich für diabetologische Erkrankungen werden, zumal sich mit der orthopädisch-chirurgischen Abteilung auch eine im Haus befindet, die sich mit einer der schlimmsten Komplikationen, dem diabetischen oder Charcot-Fuß, beschäftigen kann. Für diabetologisch Erkrankte soll Sulingen im Landkreis erste Adresse werden. Hier soll auch die Möglichkeit bestehen, Diabetes-Assistentin­nen und -assistenten sowie Wundassistentinnen und -assistenten nach den Richtli­nien der Deutschen Diabetes Gesellschaft aus- und weiterzubilden. Der Engpass an diabetologischen Betten kann durch eine Ausrichtung Sulingens hierauf bestens aufgehoben werden, wichtig wird sein, die Anerkennung als Diabetes-Zentrum der DDG zu erhalten.

Die Verwirklichung der Ideen für das Krankenhaus Bassum wird an der lagebedingten eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeit scheitern. Für ein Traumazentrum fehlt der Raum für einen Hubschrauberlandeplatz (Errichtung auf dem Dach?), bei der Forderung nach weiteren Parkplätzen wird das Gebiet kollabieren. Das Krankenhaus steht in einer Sackgasse und wird von unabänderlichen Gegebenheiten zu drei Seiten blockiert: Vom Friedhof und dem Klosterbach mit Überschwemmungsfläche seitlich des Krankenhauses und dem Bahndamm hinter dem Krankenhaus. Allerdings gibt es die Fachklinik "Sucht" im alten Bettenhaus B, einem Unternehmen von Bethel im Norden mit 30 %iger Beteiligung von ALD. Wir fordern zu prüfen, diese Fachklinik nach Diepholz zu verlegen, wo sie eine gegebene Ergänzung durch das Angebot des "Qualifizierten Entzugs", das die Innere Abteilung vorhält, findet. Gleichzeitig könnte dort auch die für den südlichen Landkreis dringend erforderliche zweite Opiat substituierende Praxis im Landkreis gegründet werden. Das alte Bettenhaus B würde eine hervorragende Möglichkeit für die im Aufbau befindliche Geriatrie bieten, gerade die Räumlichkeiten im Untergeschoss bieten sich an. Es kann dann auch, wie vor Jahren versprochen, die "Cleanic", eine derzeit nicht betriebene Einrichtung für mehrfach abhängige russlanddeutsche junge Männer neben der neuen Psychiatrie, abgetragen und für Parkplätze bereit gehalten werden. Zudem muss überlegt werden, ob die Häuser des ehemaligen Schwesternwohnhauses und der Verwaltung (Werkstatt) wirklich noch im vollen Umfang benötigt werden. Fraglich erscheint, ob die Verlegung der Urologie nach Bassum sinnvoll ist. Es gibt bereits jetzt im Städtischen Klinikum Delmenhorst eine urologische Abteilung mit überregional gutem Ruf und einer hervorragenden Ausstattung, die von den niedergelassenen Urologen des Nordkreises bewusst empfohlen wird, die Zusammenarbeit ist hervorragend. Nach dem Neubau des Klinikums Joseph Delmenhorst wird die Situation sich für Delmenhorst nicht nachteilig verändern.

Zusammenfassung:

- Krankenhäuser müssen wie sonstige Gesundheitseinrichtungen einen allgemeinen, freien und gleichen Zugang haben;

- Nicht-Gewinn-orientierten Betreibern ist Vorrang einzuräumen. In diesem Fall sind auch Defizitausgleiche seitens der Kommunen zu akzeptieren;

- Krankenhausversorgungspolitik darf nicht mit kommunaler Standortpolitik verwechselt werden, hierfür gibt es andere Regelmechanismen;

- im Landkreis Diepholz ist die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger nicht gefährdet, wenn das Krankenhaus Diepholz aufgegeben wird, es gibt im Rahmen des Zusammenschlusses "Städtequartett" ausreichende, qualitativ hochwertige und gut erreichbare Alternativen in Damme, Lohne und Vechta;

- daher erscheint uns die "Zweier-Lösung" mit Krankenhäusern in Bassum und Sulingen als die gesundheitspolitisch, ökonomisch und strukturpolitisch sinnvollste Variante;

- die Belastung der Kommunen im Landkreis, deren Einwohnerinnen und Einwohner die kreisseitigen Einrichtungen nicht nutzen, aber die Kreisumlage zur Hälfte tragen, muss begrenzt werden und darf nicht durch eine fehlorientierte Haltung zur Krankenhausversorgung auf dem jetzigen oder gar noch höheren Kreisumlagenniveau bleiben.