Merkwürdige Vorstellung, die die SPD-Fraktion da während der Haushaltsberatung des Stadtrats am 14.2.2012 zur Debatte brachte.
Dabei ist eine solche Haltung nur schlüssig - wenn man das neue Haushaltssystem einigermaßen ernst nimmt.
Zur Veranschaulichung trug SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Christoph Lanzendörfer für seine Fraktion folgendes Szenario vor:

Nehmen wir an, wir sind teil eines Sportvereins. Der hat ein schmuckes Vereinshäuschen, Wert etwa € 200.000. Da es gerade renoviert wurde, wird es noch 20 Jahre halten.
Die Vereinsmitglieder bringen € 50.000 Beiträge zusammen auf. Davon sollen ausgegeben werden:
7.500 für Zinsen und Abtrag
7.500 für Nebenkosten wie Heizung und Strom
20.000 für Übungsleiterstunden
10.000 für Verbrauchsmaterialien
Für den Rest von 5.000 € möchte der Verein für seine Jugendlichen eine schöne Fahrt zu einem Sportfest in der Partnerstadt organisieren, eine „freiwillige Leistung“.
Den Einnahmen von € 50.000 stehen also geplante Ausgaben von € 50.000 gegenüber.

Der Haushalt wird dem Kreissportbund vorgelegt - und abgelehnt: Er sei nicht ausgeglichen! Denn da das Vereinshaus noch 20 Jahre halte, müssten jährlich € 10.000 an „Abschreibung“ auf die Ausgabenseite. Damit stünden € 60.000 Einnahmen von nur € 50.000 gegenüber. Der Auftrag: Kürzung bei den freiwilligen Ausgaben, damit der Haushalt „ausgeglichen“ sei.

Absurd, nicht? Finden wir auch.

Im Haushalt finden sich unter der Nr. 5411 an Abschreibungen für Straßen € 572.000. Geld, das wir formell ausgeben, aber in Wirklichkeit überhaupt nicht ausgeben. Ein rechnerischer Posten. Den kann man auch nicht kürzen oder zusammenstreichen, denn im Gegensatz zu den anderen Ausgaben unterliegt diese Abschreibung einer gesetzlichen Vorgabe.
Wir führen also in unserem Haushalt Beträge, die wir überhaupt nicht realisieren. Dem stehen Werte gegenüber, die - theoretisch zumindest - auf einem Markt einen Wert darstellen.
Und daher kam die SPD auf die Idee, rein pro forma einen Betrag von € 880.000 für die Straße „Sulinger Straße“ als Verkaufserlös anzusetzen. Damit wäre der Haushalt ausgeglichen. Ein reiner Haushaltstrick also.

Die Gehwege sollen übrigens zu einem späteren Zeitpunkt veräußert werden… Auf der Ratssitzung ging es nur um die Straße.

Dass, übrigens, Straßen durchaus zu verkaufen sind, bewies der direkt folgende Tagesordnungspunkt auf der Sitzung des Stadtrates. Dort wurde nämlich in Wedehorn ein Weg entwidmet, der jetzt verkauft werden soll. Das Prinzip hat der Stadtrat also schon verstanden…