Seit langem schon stellen sich die Mitglieder der Fraktion interessante Bücher gegenseitig vor. Wir möchten diese Besprechungen ab jetzt auch ins Netz stellen.

„Bierzelt oder Blog?“ betitelt Andreas Elter seine Studie über die Nutzung des interaktiven Netzes, dem sog. Web 2.0, durch die Politik. In den USA war für den Wahlkampf von Barak Obama das Netz wichtig, weil er sich (wie auch alle anderen Präsidentschaftskandidaten) nicht auf eine funktionierende Parteibasis stützen kann, er also auf die Unterstützung durch die Industrie für Fernsehauftritte oder eben auf das Internet verlassen muss.
In Deutschland war bei der Bundestagswahl 2008 das Interesse noch nicht ausgeprägt stark, aber erkennbar. Alle Parteien nutzten alle möglichen Plattformen oder „social networks“.
Für Parteien stellt sich aber auch ein Problem heraus: Ein „tweet“ bei Twitter darf nicht mehr als 140 Zeichen umfassen. Wie kann man so politische Inhalte verbreiten, ohne in Sprechblasen zu schwafeln?
In Deutschland wird es deswegen sowohl den Blog als auch das Bierzelt für die Wahlkämpfe weiter geben, also den Internetauftritt und den direkten Kontakt. Alles andere wäre auch schlimm!

Jaron Lanier hat zum Thema Internet gerade ein interessantes Buch veröffentlicht. Es erschien am 15.10.2010, wurde aber schon vorher in großen Interview-Artikeln in der Frankfurter Rundschau (13.10.) oder in der ZEIT (14.10.2010) besprochen. Kernaussage: Das Netz selbst verändert für die Zukunft unser Verständnis von uns selbst. Das Netz könne nur „binär“ arbeiten, kennt also nur ja oder nein. Trage man sich also in einem der „social networks“ wie facebook ein, so müsse man in seinem Profil ein Kreuzchen für Angaben machen. Auch wenn die sich ändern sollten: Was im Netz steht, geht nicht wieder heraus. Daraus folgert Lanier: „Die effektivsten jungen Facebook-Nutzer jedoch - die zu den Gewinnern zählen dürften, falls Facebook sich als Modell der Zukunft erweist, in der sie als Erwachsene leben werden - sind jene, die erfolgreiche Online-Fiktionen von sich erstellen … Unaufrichtigkeit wird belohnt, während Aufrichtigkeit einen lebenslangen Makel bedeuten kann“ (S. 99).
Das ist erschreckend. Zumal Lanier nicht irgendein durchgeknallter netzfeindlicher Hinterwäldler ist: Er erfand Begriff und Inhalt dessen, was als virtuelle Realität bezeichnet wird, er lehrt an den Scholar at Large for Live Labs von Microsoft und ist gleichzeitig Musiker, der einige Filmmusiken komponiert hat.