Das Internet bietet Arbeitserleichterungen.
Wir können uns über alles informieren, Ideen, Sprichwörter, Zitate herausnehmen und damit Kenntnis zu allen Dingen scheinbar belegen. Das hat ja schon zu Kopien ganzer Hausaufgaben oder Examensarbeiten geführt.

Die Urheberverfälscher werden bei Entdeckung allerdings geahndet, also Hausaufgaben und Prüfungen, die "abgeschrieben" wurden, werden nicht gewertet, im schlimmsten Fall ist von böswilliger Täuschung die Rede und die Täuscher werden von den Prüfungen ausgeschlossen. Dass ein Bürgermeister aus dem Internet "abkupfert", ärgerte besonders bei der Enthüllung der Gedenktafel.

Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Christoph Lanzendörfer beurteilt das folgendermaßen:

"Dabei bleibt wirkliches Hintergrundwissen auf der Strecke. Mich verwunderte am Tag der Enthüllung der Gedenktafel dann doch in der Ansprache unseres Bürgermeisters eine Kette von Zitaten, beginnend mit Francesco Petrarca über Alfred Nobel zu Astrid Lindgren. Da der Bürgermeister den Text seines Beitrags auch kopiert der Presse übergab, konnten wir das alles nachlesen.

Mein lieber Scholli, dachte ich: Petrarca in Bassum. Der wurde zu den fünf größten Feinden des Friedens zitiert, die seien Habgier, Ehrgeiz, Neid, Wut und Stolz. Ich kenne einigermaßen die geschichtlichen Hintergründe, in der dieses Zitat entstand und frage mich: Was sagt uns das heute? Verlangen wir nicht Ehrgeiz von unseren Schülerinnen und Schülern, damit sie später einen Beruf haben und in der Welt bestehen? Wieso gefährden sie denn mit ihrem Ehr-geiz den Frieden?
Und: Ich bin stolz, dass wir Bassumer sowohl die Stolpersteine als auch die Gedenktafel ge-stiftet haben, ich bin stolz, dass wir im Werder-Fanblock jetzt am Pokalendspiel in Berlin einige Nazis, die unsere Nationalhymne mit dem Faschistengruß begleiteten, aus dem Stadion getrieben haben - ist dieser Stolz einer der großen Feinde des Friedens?
Das ist eben der Nachteil des Internets, Zusammenhänge werden nicht mehr erkennbar. Petrarca meinte natürlich nicht den Stolz, wie wir ihn heute verstehen, sondern er meinte ihn als Anmaßung oder Standesdünkel. Das Zitat war gemeint als Abrechnung mit den römischen Adelsfamilien, besonders der Colona und Orsini, die die Stadt beherrschten. Und Petrarca unterstützte damit den Volkstribun Cola di Rienzo, der 1347 die Regierung der Stadt übernahm.
Das erfährt man allerdings alles nicht, wenn man nur unter www.zitate.de nachsucht und irgendetwas zusammenstellt. Genau den Text, den der Bürgermeister als seinen eigenen dargestellt hat, mit allen als Zitaten kenntlich gemachten Worten und mit den vermeintlich eigenen Texten, kann man nämlich unter...

...nachlesen: Petrarca, Nobel und Lindgren, alles wörtlich, ganz genau so, wie wir es als bürgermeisterliche Worte gehört haben, ohne erkennen zu können, dass alles nur abgeschrieben ist.

Mich ärgert so etwas. Vor allem, wenn man immer nur etwas von anderen fordert und selbst nicht mit gutem Beispiel vorangeht. Oder wie war es mit dem Privatdienstwagen, den die Stadt Bassum für den Bürgermeister jährlich neu least, weil der aus Kostengründen einen Privatwagen abgeschafft hat? Lasst uns doch einmal ein Zeichen gegen Habgier sehen!"

Foto: Gedenktafel am Bassumer Rathaus