„Kinderarmut in Deutschland“ lautete das Thema der letzten Mitgliederversammlung der SPD in Bassum, zu der Michael Albers als Referent geladen war. Albers arbeitet als Diplompsychologe beim Landkreis Nienburg und war in seiner Zeit als Landtagsabgeordneter unter anderem jugendpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und für die Bereiche Jugendstrafrecht und Jugendkriminalität zuständig.

In seinem Vortrag ging Michael Albers vor allem auf die Risiken ein, denen Kindern ausgesetzt sind, wenn sie in arme Familien geboren werden. Die soziale Schere klafft dabei immer weiter auseinander, denn es gibt zwar mehr Reiche, aber auch die Anzahl der armen Menschen steigt. Schon 1999 lebten 16,8 % der unter 15-Jährigen unterhalb der Armutsgrenze, 2008 waren es bereits 25 %! Nur ein Teil davon sind Hartz-IV-Empfänger, die Anderen verzichten aus den unterschiedlichsten Gründen auf eine staatliche Unterstützung. Bei der Ausgestaltung der Transferleistungen nach dem SGB II – „Hartz IV“ – seien „Webfehler“ aufgetaucht, so Albers, die es schnellstens nachzubessern gelte. So sollte ein Eigenbedarf von Kindern und Jugendlichen errechnet werden. Bisher ist es so, dass für Erwachsene ein Bedarf festgestellt wird, von dem Kinder einfach weniger erhalten, ohne dass Besonderheiten wie Kosten für Schul- und Arbeitsmaterialien oder Essensgeld für die Ganztagsschulangebote entsprechend eigenständig berechnet würden. So wurde im Jahr 2005 folgender Bedarf festgelegt:

Regelleistung für unter 15-Jährige nach SGB II:

  • 207 € pro Monat
  • 79,63 € pro Monat für Ernährung = 2,65 pro Tag
  • 20,56 € für Bekleidung = 0,69 pro Tag
  • 23,69 € für Freizeit/Kultur = 0,79 pro Tag
  • 1,33 € pro Monat für Schreibwaren/Zeichenmaterial

Die Folge davon ist zum einen eine erheblich geringere Beteiligung von Kindern aus einkommensschwachen Familien in Vereinen, Büchereien und sonstigen Freizeitaktivitäten. Aber auch in den Schulen schlägt sich der soziale Status nieder, denn je höher die Klassenstufen, umso höher auch die Anforderungen an das benötigte Material, das sich diese Familien aus eigener Kraft oft nicht leisten können.

Daneben werden oft Defizite im psychischen Bereich auffällig, durch die immense Belastung der Familie, sowie allgemein ein höheres Risiko zu erkranken, weil Gesundheitsvorsorge und –fürsorge aus finanziellen Gründen vernachlässigt werden.

Dabei wirkt sich auch besonders nachteilig aus, dass Studien zufolge Kinder aus reichen Familien eine dreimal höhere Chance haben das Gymnasium zu besuchen, während 80 % der Hauptschüler nach dem Abschluss keinen Ausbildungsplatz finden.

Ein besonderes Risiko, in die Armut abzurutschen, haben in Deutschland Familien mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, so genannte Bildungsferne und kinderreiche Familien.

Die Chancen des sozialen Aufstiegs für Familien aus prekären Verhältnissen hat sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert. Das hängt zum Teil auch damit zusammen, dass zwar einerseits mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden, die andererseits zu einem großen Teil wiederum lediglich auf geringfügiger Basis bestehen.

Wie kann auf kommunaler Ebene auf diese Situation reagiert werden?

Dazu nannte Albers einige Stichpunkte, die der Ergänzung bedürfen. Kommunen können helfen:

  • Familien stärken
  • Betreuungseinrichtungen ausbauen
  • Familienfreundliche Zentren mit Beratungsangeboten
  • Arbeitsmarkpolitik verbessern
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern
  • Kindeswohlsicherung
  • Bildungsbeteiligung erhöhen durch vielfältiges Schulangebot

Albers schloss seinen Beitrag mit den Worten, Kinder seien nicht unsere Zukunft, sondern: "Kinder sind unsere Gegenwart!" Und deshalb müsse jetzt etwas getan werden.

Ortsvereinsvorsitzende Dorit Schlemermeyer moderierte anschließend in der gut besuchten Veranstaltung die Diskussion, in der Möglichkeiten zum sinnvollen Handeln erörtert wurden. Vortrag und Diskussion hinterließen nachdenkliche Gesichter.

ZuhörerInnen beim Vortrag zur Kinderarmut

Neben dem inhaltlichen Teil wurden auch organisatorische Punkte abgehandelt: Die Delegierten für den Parteitag der SPD im Unterbezirk Landkreis Diepholz wurden gewählt. Den Ortsverein Bassum werden dort Claudia Kemper, Dr. Christoph Lanzendörfer, Katharina Mehlau, André Schulz sowie Martin Wolle vertreten. Ersatzdelegierte sind Friedhelm Barth und Angelika Sonntag. Dorit Schlemermeyer und Luzia Moldenhauer sind als UB-Vorstandsmitglieder ebenfalls stimmberechtigt